Mit 16 hat Jean-Philippe Meibohm seine Heimat verlassen. Jetzt unterschrieb der Defensivspieler einen Vertrag bei D/A. Foto: Berlin
Von Daniel Berlin
DROCHTERSEN. Der Regionalligist SV Drochtersen/Assel hat den Innenverteidiger Jean-Philippe Meibohm (22) verpflichtet. Ein Mann mit einer für sein Alter ungewöhnlichen Vita, einer, der 7000 Kilometer von der Heimat entfernt schnell erwachsen geworden ist.
„Jean-Philippe“ sagt auf dem Trainingsplatz im Kehdinger Stadion kein Mensch. Der Neuzugang heißt einfach Jean oder John, oder JP. Das Kürzel handelte sich Meibohm während der letzten drei Jahre in den USA ein. Dort studierte und kickte der aus Harsefeld stammende Fußballer.
Einen talentierten Spieler wie Meibohm, der auch noch aus Harsefeld kommt, verorten Kenner der Szene in der Regel bei renommierten Ausbildungsclubs wie Ahlerstedt/Ottendorf/Heeslingen. Meibohm lernte den Sport bei der JSG Apensen/Harsefeld, aber schon mit 16 war er weg. Die U 17 vom FC Oberneuland, die U 19 vom Halleschen FC, Erzgebirge Aue und im ersten Herrenjahr der Malchower SV in der Oberliga Mecklenburg-Vorpommerns. Das waren seine Adressen. Er ging die Ochsentour, weil die Nachwuchsleistungszentren des SV Werder Bremen, des Hamburger SV und vom FC St. Pauli kein Interesse hatten.
„Vielleicht war ich ein bisschen frühreif“, sagt Meibohm. Er wollte raus. Er wollte sein eigenes Ding machen. Er lebte in den Internaten des Halleschen FC und Erzgebirge Aues. Er spielte Fußball an den eher kleinen Nachwuchsleistungszentren, die die Kinder zu Profis ausbilden sollten.
Konkurrenzkampf am Internat
Früher wollte Meibohm genau da hin. Zu den Profis. In die dritte, zweite oder vielleicht sogar erste Liga. An den Nachwuchsleistungszentren herrschte der typische Konkurrenzkampf einer Ellenbogengesellschaft. Schließlich schafft den ganz großen Sprung nur einer von tausend. „Als junger Kerl habe ich das ignoriert. Dann bin ich eben dieser eine, habe ich mir gedacht“, sagt Meibohm heute. Er wurde älter und überlegte, ob sein Talent wirklich ausreicht. Diese Zeit habe ihn reif gemacht, sagt Meibohm. Und trotz des Konkurrenzkampfes fand er Mitspieler, die Freunde wurden.
Jetzt ist er wieder in der Heimat. Seine Eltern betreiben einen Supermarkt in Harsefeld. Meibohm lebt mit der Familie über dem Markt. Vom Gewusel unter seinen Füßen bekommt er nichts mit. Vor zwei Wochen landete sein Flieger in Deutschland. Gestartet war die Maschine in North Carolina in den USA.
Meibohm lebte in den USA
Drei Jahre lebte Meibohm in den Staaten, spielte bei Fort Lewis, FC Buffalo und Elon Phoenix. Seine Eltern hatten ihm geraten, eine Ausbildung oder ein Studium zu beginnen. Eine Agentur half bei der Vermittlung an die Universität. Heimweh verspürte er keine zwei Wochen.
Meibohm studierte Sportmanagement und holte sich den Bachelor. Den Master in Betriebswirtschaft hängt er jetzt noch dran. „Wo ich das mache, weiß ich noch nicht. Die politische Situation in den USA ist nicht absehbar“, sagt Meibohm. In seiner Wahlheimat hätten nur etwa 50 Prozent Corona ernst genommen. „Das war der Grund für den heftigen Ausbruch“, sagt Meibohm.
Sportliche und berufliche Ziele
Der 22-Jährige ist gut 7000 Kilometer von der Heimat entfernt deutlich schneller erwachsen geworden. Sagt er selbst. Große Ziele habe er. Die sind eher beruflicher Natur. Mit dem nächsten Studium steigt er in den Finanzsektor ein. „Ich möchte meinen Eltern nicht mehr auf der Tasche liegen“, sagt Meibohm. Die hatten ihm immer alles ermöglicht. Es begann damit, dass sein Vater den damals 16-Jährigen vier Mal pro Woche zum Training des FC Oberneuland kutschierte, sich Arbeit auf dem Laptop mitnahm und im Auto zwei Stunden wartete, ehe die beiden die Heimreise antraten.
Und die sportlichen Ziele in der neuen sportlichen Heimat in Drochtersen? „Ich tue alles, um bei D/A meine Stärken zu zeigen. Ich kämpfe um jede Minute“, sagt Meibohm. D/A habe die Ambitionen, oben mitzuspielen. Wie hoch genau? Der 1,91 Meter große Innenverteidiger lächelt.
Starke Physis und gute Athletik
Sein Trainer jedenfalls ist von Meibohms Stärken überzeugt. „Jean verfügt über eine gute Dynamik, eine starke Physis und eine gute Athletik“, sagt Lars Uder. Er spiele befreit, habe Bock, treffe gute Entscheidungen und fordere den Ball, um das Spiel von hinten raus zu eröffnen.
Dennoch ist der Sprung in die Regionalliga ein großer für Meibohm. Die zweite College-Liga in den USA habe ordentliches Oberliga-Niveau gehabt, sagt er. Was ihm allerdings zugutekam, sei die Tatsache, dass die Amerikaner gesteigerten Wert auf das körperliche Spiel gelegt haben. „Ich war wirklich oft im Kraftraum. Das habe ich in Deutschland vorher nicht erlebt“, sagt Meibohm. In den USA dürfen die Teams während eines Spiels unbegrenzt oft wechseln. Das hatte zu Folge, dass es Meibohm als Defensivmann ständig mit frischen Stürmern zu tun hatte.
Ein Jahr – und dann?
Jetzt ist Meibohm dabei, die Spielauffassung von Coach Lars Uder zu verinnerlichen. „Ballbesitzorientiert zu spielen ist ungewohnt“, sagt Meibohm. Aber es mache „Bock, andere laufen zu lassen“. „Überragend“ findet Meibohm D/A-Torwart Patrick Siefkes. Ohne Bedenken könne er ihn in der Not anspielen. Das Passspiel und einige leichte Fehler seien derzeit noch seine Baustellen, sagt der Neu-Drochterser. Und er freue sich auf den Konkurrenzkampf mit routinierten Spielern wie Nikola Serra und Sören Behrmann.
Meibohm bleibt erstmal ein Jahr. Was danach kommt, ist unklar. Wo er studiert nicht gewiss. Vielleicht geht es wieder in die Welt hinaus, die ihn reif werden ließ. Selbstvertrauen hat er in den vergangenen Jahren reichlich getankt. Bei Trainingsspielen im Kehdinger Stadion dirigiert er seine Neben- und Vorderleute lautstark wie ein alter Hase. Sogar lauter als gestandene Spieler.
Quelle: Stader Tageblatt